Bücher

Bis Anfang des vorigen Jahrhunderts gab es kein Bienenbuch in der ganzen Bienenliteratur, in dem alles, worauf die Bienenzucht aufgebaut worden ist, aus dem Wesen des Bienenvolkes und seinen Lebensgesetzen heraus begründet und angeleitet worden ist. Gerstung hatte damals der Bienenzucht eine echte naturwissenschaftliche Grundlage gegeben, obwohl er - im engeren Sinne - kein Naturwissenschaftler war und allein sein angeborenes Interesse für die Natur, mit besonderem Spürsinn für mancherlei Erscheinungen begabt hat ihn stets weiter forschen lassen. Auch wenn er kein Professor oder Doktor an einem bienenwissenschaftlichen Forschungsinstitut war und hat er dennoch ganz neuartige, grundlegende Entdeckungen über das Grundgesetz der Brutnestordnung und der Arbeitsteilung im Bienenvolk in einer Zeit gemacht hat und man die Bienenforschung wissenschaftlich betrieb. Damit hat sein Schaffen völlig Neues offenbart, wodurch er ein Wegweiser für das ganz große Gebiet der neuen Bienenforschung geworden ist.
Zusammen mit August Ludwig gründete Ferdinand Gerstung den „Deutschen Reichsverein für Bienenzucht“, aus dem heraus 1907 die Gründung des „Deutschen Imkerbundes“, hervorging. 1910 gründeten sie zusammen in Weimar das erste Bienenmuseum in Deutschland.
Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Teilung Deutschlands verdrängten die Magazinbeuten im Deutsch-Normal- und Zandermaß immer mehr die Gerstungbeute und damit die Betriebsweise des ungeteilten Brutraumes. Erst mit Bruder Adam wurde diese in den letzten 50 Jahren den Imkern nahe gebracht - jedoch auf der Basis der Flachwabe Dadant. Damit wurde auch der so genannte „angepasste Brutraum“, durch H. Beer u. a. wieder lebendig. Die art- und wesensgerechtere Bienenhaltung des Ferdinand Gerstung wird aber leider heute für eine am Profit ausgerichtete Honigproduktion missbraucht. Während bei Gerstung Honig-/Pollenkranz und Brutnest eine untrennbare Einheit darstellt, wird bei dieser „modernen“ Betriebsweise Pollen und Honig als so genannte „Störfaktoren“. aus dem Brutnest hinter Schied und Absperrgitter verbannt - ein verhängnisvoller Eingriff in die Lebenszusammenhänge des Bien!
Nachdem über Jahrzehnte Gerstung in der Imkerschaft keinen Widerhall mehr gefunden hat, erinnern sich wieder immer mehr Imker*innen an die Schriften dieses alten Weisen und sein inniges Verhältnis zu den Bienen und der Imkerei. Vielerorts war jedoch zu hören, dass Schriftart und Schriftstil überaltert sind und junge Leser daran hindern, sich mit den Inhalten dieser Bücher auseinander zu setzen. Aus diesem Grunde bin ich dem Wunsch der jüngeren Imkerschaft nachgegangen, das Lehrbuch „Der Bien und seine Zucht “in eine neue Schriftart zu übertragen und dabei auch den Schriftstil an den heutigen anzupassen ohne die inhaltliche Aussage zu verändern. Darüber, dass dies nicht immer so gelungen ist, wie ich es mir gerne gewünscht habe, möge doch bitte der Leser hinwegsehen. Nachdem Bienenhäuser nicht mehr Bestandteile der Bienenhaltung unserer Zeit sind, habe ich von diesen Fotos keine mehr in meine Ausgabe übernommen. Statt dessen entstanden neue Aufnahmen, welche die Brutnestentwicklung und den Legegang der Königin eindrücklich dokumentieren.
Mit dieser Neufassung möchte ich meine Wertschätzung an der unermüdlichen Verhaltensforschung und der Aufklärungsarbeit von Ferdinand Gerstung zum Ausdruck bringen. Seine grundlegenden Erkenntnisse und die „Futtersaftlehre“ sind heute aktueller als je zuvor, da sich die Nahrungsgrundlagen des Bien durch sinkende Artenvielfalt und die damit verbundene einseitige Ernährung sich erheblich verändert haben. Bisher hat in der Imkerschaft diesem Thema noch sehr wenig Beachtung entgegengebracht, doch dass das Immunsystem unserer Bienen stark geschwächt ist, lässt sich an der Vielzahl der Virenerkrankungen deutlich ablesen.
Richard Graf